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Weltweiter Know-how-Transfer

Das BIBB berät Partnerländer bei der Gestaltung ihrer beruflichen Bildung

29.01.2021 | Lora Köstler-Messaoudi

Hohe Jugendarbeitslosigkeit, Reformbedarfe, unzureichende Beschäftigungsrelevanz: Struktur- oder krisenbedingt funktionieren die Arbeits- und Ausbildungsmärkte in vielen Ländern nur suboptimal. Die deutsche duale Berufsbildung hat international einen guten Ruf und gilt als Erfolgsmodell für die Qualifizierung von Fachkräften. Das BIBB berät und unterstützt daher Partnerländer bei der Gestaltung ihrer beruflichen Bildung.

Weltweiter Know-how-Transfer
In Vietnam unterstützte das BIBB die Regierung beim Aufbau einer
nationalen Berufsbildungsberichterstattung.

“Deutschland hat bei der Qualifizierung von Fachkräften einen guten Ruf. Viele Staaten kommen auf uns zu, um sich über das duale Ausbildungssystem als Referenzmodell für Reformprozesse zu informieren”, erklärt Birgit Thomann, Leiterin der Abteilung “Berufsbildung International” im BIBB. Ein Eins-zu-eins-Transfer des deutschen Systems sei jedoch nicht Ziel der Beratung. “Wir unterstützen, beraten und begleiten die Länder bei der Entwicklung kontextbezogener Reformansätze, nehmen aber nicht den Fahrersitz ein. Die Verantwortung bzw. ‘Ownership‘ verbleibt beim Partner, denn jeder Staat muss letztlich selbst entscheiden, wie er die Berufsbildung gestaltet”, so Thomann weiter. Das BIBB ist vielfach in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit und Systemberatung tätig. Auf die wachsende internationale Nachfrage zum dualen System hat auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Bundesregierung unter anderem mit dem Aufbau der Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation (German Office for International Cooperation in VET – GOVET) im BIBB reagiert. “Zukunftsfragen der beruflichen Bildung und der Arbeitswelt lassen sich angesichts globaler und komplexer Herausforderungen nicht mehr allein in nationalen Bezügen bearbeiten und gestalten. Wir haben ein elementares Interesse an der Stärkung qualitativ hochwertiger Ausbildung weltweit und unterstützen daher die internationale Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung”, betont Thomann.

Externer Anstoß für Entwicklungsprozesse

Die Beratung des BIBB richtet sich an alle Akteure des Berufsbildungssystems. Sie orientiert sich dabei an den bildungspolitischen Zielen und Strategien des Partnerlandes. Soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Strukturen des jeweiligen Landes werden ebenfalls berücksichtigt. Die Beratung erfolgt dabei auf allen Ebenen des Berufsbildungssystems. So berät das BIBB neben politischen Entscheidungsträgern auch berufsbildende Institutionen sowie Akteure der Berufsbildung und Multiplikatoren.

Beratung ist dann am erfolgreichsten – das zeigt die jahrelange Erfahrung des BIBB –, wenn sie maßgeschneidert an den Bedarfen des Partnerlandes und gemeinsam mit und in den Ländern breit abgestimmt ist. Ein Beispiel für solch eine erfolgreiche Beratung ist ein Projekt des BIBB in Vietnam. Ziel war der Aufbau einer nationalen Berufsbildungsberichterstattung. Umgesetzt wurde dies in einer Kooperation mit dem vietnamesischen Partnerinstitut, dem National Institute for Vocational Education and Training (NIVT), dem vietnamesischen Arbeitsministerium (hier: General Department for Vocational Training (GDVT) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)). “Über viele Jahre lagen den politischen Entscheidern hier keine Daten zur Bildung vor. Diese waren schlichtweg unbekannt. Entscheidungen zur Bildungspolitik konnten damit nicht evidenzbasiert getroff en werden”, erklärt Thomann die Notwendigkeit des Projekts.

Aus dem Projekt sind mittlerweile sieben nationale Bildungsberichte hervorgegangen. Die Berichte bündeln Informationen über aktuelle Aktivitäten in der beruflichen Bildung Vietnams. Sie richten sich an Akteure aus Politik, Wirtschaft und Forschung, Unternehmerinnen und Unternehmer, Studierende und Beschäftigte sowie Mitarbeitende von Berufsbildungsinstitutionen und internationalen Organisationen. “Die Berichte werden von den zentralen Stakeholdern in Vietnam als nützlich wahrgenommen. Indikator dafür ist, dass zentrale Empfehlungen aus dem Berufsbildungsbericht in Umsetzungsempfehlungen zu gesetzlichen Erlassen aufgenommen wurden”, so Thomann. Neben den Berichten entstanden im Rahmen des Projekts auch Empfehlungen zur Gestaltung der dritten vietnamesischen Berufsbildungsstrategie 2021 – 2030, eine Fallstudie zu Kosten und Nutzen betrieblicher Praktikantenprogramme sowie wissenschaftliche Diskussionspapiere zur Berufsbildungsberichterstattung in Vietnam. Doch nicht nur diese Erfolge zählen für das BIBB. Wichtig und fruchtbar war und ist auch die weiterhin gute und lebendige Zusammenarbeit aller Beteiligten. Im vietnamesischen Team vor Ort war man derart von der Idee und den Zielen des Projekts begeistert, dass man sich sogar an die Umsetzung eines Songs zu den Kernbotschaften machte.

Im ständigen Dialog miteinander

Auch in anderen Ländern zeigte sich nicht nur strategischer Erfolg in den Beratungsprojekten. Die Qualität des persönlichen Miteinanders ist ein wichtiger Beitrag zum Erfolg. So auch in Portugal, wo Schulungen und Besprechungen schnell auch kulinarisch von den Teilnehmern unterlegt wurden.

Das portugiesische Bildungsministerium zeigte großes Interesse an der dualen Ausbildung in Deutschland. Die berufliche Bildung ist in Portugal überwiegend schulisch geprägt.

Portugal vereinbarte daher 2012 eine Bildungszusammenarbeit. Vorrangiges Thema der Kooperation war die gemeinsame Entwicklung und Implementierung eines Lehrgangs für eine pädagogische Weiterbildung von betrieblichen Tutoren und Tutorinnen.

Von 2013 bis 2017 wurde dann von einer deutsch-portugiesischen Expertengruppe eine berufspädagogische Weiterbildung für das betriebliche Ausbildungspersonal entwickelt und erprobt. An dem Projekt waren auf institutioneller Ebene das BIBB und GOVET, das BMBF, das Nationale Institut für Beschäftigung und Berufsbildung (IEFP), die Nationale Agentur für Qualifikation und berufliche Bildung (ANQEP) und das portugiesische Bildungsministerium beteiligt. Als Bindeglied zwischen den Partnern spielte die Deutsch-Portugiesische Handelskammer in Lissabon über den gesamten Prozess eine wichtige Rolle. “Die Qualifizierungsmaßnahme wurde dialogisch gestaltet: Einerseits baute die Maßnahme auf dem Know-how deutscher Berufsbildungsexpertinnen und –experten und den Erfahrungen des Qualifizierungssystems für das betriebliche Ausbildungspersonal in Deutschland auf. Andererseits wurde sie so flexibel durchgeführt, dass sie in einem kontinuierlichen Austauschprozess an den Qualifizierungsbedarf der Tutorinnen und Tutoren und an die Rahmenbedingungen der portugiesischen beruflichen Bildung angepasst werden konnte”, erklärt Thomann.

Der daraus entstandene Pilotkurs sowie die im Jahr 2015 und 2016 durchgeführten Tutorenlehrgänge wurden vom BIBB und der Forschungsgruppe SALSS evaluiert. Die Evaluierung zeigte, dass sich die Schulung für einen Großteil der Teilnehmenden nach eigenem Urteil positiv ausgewirkt hat: Vor allem hätten sie nun mehr Klarheit hinsichtlich ihrer Rolle als Tutorin bzw. Tutor und mehr Sicherheit im Umgang mit jungen Menschen. Viele Teilnehmende gaben darüber hinaus an, dass ihnen aufgrund der erlernten Methoden das Ausbilden jetzt leichter falle. Nach der Evaluierung wurde der Kurs von den portugiesischen Verantwortlichen nochmals leicht angepasst und anschließend in das portugiesische Berufsbildungssystem integriert. Im Herbst 2017 verabredeten IEFP, ANQEP, BIBB und GOVET ein Folgeprojekt zum Bildungspersonal. Zielgruppe dieses zweiten Projekts sind Lehrkräfte, die in den Schulen beziehungsweise Berufsbildungszentren für die Zusammenarbeit mit den Betrieben zuständig sind.

“Durch den kontinuierlichen Dialog auf den verschiedenen Ebenen wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich eine “Ownership” bei den portugiesischen Beteiligten entwickeln konnte. Dies ist für den Transfer von dualen Strukturen von grundlegender Bedeutung”, erklärt Thomann.