Zwischen Betrieb und Familie: Barrieren unterrepräsentierter Beschäftigtengruppen im Zugang zu non-formaler Weiterbildung (BeFaWei)
Warum nehmen Beschäftigte mit geringem Qualifikationsniveau, niedrigem Einkommen und/oder einfachen Arbeitsaufgaben seltener an Lehrgängen, Seminaren und Weiterbildungskursen teil? Dieser grundlegenden Frage der Berufsbildungsforschung widmet sich das Projekt „BeFaWei“ und nimmt dabei zwei Einflussbereiche in den Blick, deren Wechselwirkung oft übersehen wird: der Betrieb und die Familie. Es ist zunächst als einjähriges Entwicklungsprojekt konzipiert, das den Grundstein für ein umfassendes, mehrjähriges Forschungsprogramm legen soll.
Non-formale, kursförmige Weiterbildung stellt für viele Beschäftigte die flexibelste Form der beruflichen Weiterbildung dar. Gerade für bisher unterrepräsentierte Gruppen kann sie eine wichtige Grundlage für die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und den Aufstieg in höherwertige Tätigkeiten oder bessere Entlohnung sein. Dennoch bleiben ihnen diese Angebote häufiger als anderen Beschäftigtengruppen verschlossen - sei es aufgrund fehlender betrieblicher Unterstützung oder familiärer Verpflichtungen.
Zielsetzung und zentrale Fragestellungen
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Projekts, innerhalb der einjährigen Laufzeit die konzeptionellen und methodischen Weichen zu stellen, um die komplexen Zugangsbarrieren zu non-formaler Weiterbildung umfassender als bisher analysieren zu können. Dies umfasst die Ausarbeitung eines detaillierten Forschungsprogramms, die Erschließung und Analyse neuer Datensätze, die Vorbereitung erster qualitativer Fallstudien und mündet in die Formulierung eines Drittmittelantrags.
Den inhaltlichen Kern dieses Vorhabens bildet die Analyse der sozialen Barrieren und Unterstützungsstrukturen in Betrieb und Familie, die den Zugang für unterrepräsentierte Beschäftigtengruppen erschweren oder erleichtern. Zentral ist dabei eine relationale Perspektive: Wie wird der Zugang zu und die Verteilung von Ressourcen (wie Zeit, Geld und Informationen) in den sozialen Beziehungen in Betrieb und Familie ausgehandelt?
Durch die relationale Perspektive konzentriert sich das Projekt auf die soziale Stellung der Beschäftigten im Betrieb und in der Familie. Es geht also darum, ob (unterrepräsentierte) Beschäftigte mehr oder weniger verdienen, ein höheres oder niedrigeres Qualifikationsniveau und/oder ein niedrigeres oder höheres Aufgabenniveau als ihre Arbeitskolleg/innen und/oder ihr/e Partner/in haben.
Konkret geht das Projekt folgenden Fragen nach:
- Wie begünstigt oder behindert eine bessere oder schlechtere relationale Position von Beschäftigten im Verhältnis zu ihren Kolleg/innen und Partner/in den Zugang zu beruflicher non-formaler Weiterbildung?
- Wie beeinflussen sich betriebliche und familiale Konstellationen wechselseitig? Gibt es gegenseitige Abhängigkeiten?
- Gibt es Ausweichbewegungen ins individuelle Weiterbildungssegment, wenn betriebliche Angebote fehlen (und umgekehrt)?
- Welche Rolle spielen Erwerbsverläufe – etwa Veränderungen in den Familien- und Pflegephasen oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit?
- Neben der Fokussierung auf Betriebe wird durch die Fokussierung auf Familien und Partnerschaften eine Genderperspektive integriert, die auch informelle Care-Arbeit als Einflussfaktor berücksichtigt.
Methodisches Vorgehen
Zur Beantwortung dieser Fragen werden Linked-Employer-Employee-Daten (LEE) verwendet, die es erlauben, die individuelle Weiterbildungsbeteiligung gleichzeitig im Kontext betrieblicher und familiärer Merkmale zu betrachten. Neben bereits bestehenden LEE-Datensätzen (z.B. Verknüpfung des Nationalen Bildungspanels mit dem IAB-Betriebspanel) ist insbesondere die Verknüpfung des BIBB-Qualifizierungspanels mit den Daten der Integrierten Erwerbsbiografien des IAB geplant. Beide Datensätze ermöglichen Längsschnittanalysen, um Wirkungsmechanismen zwischen Betrieb und Familie sowie im Zeitverlauf im Hinblick auf den Zugang zu beruflicher non-formaler Weiterbildung genauer zu untersuchen.
Erwartete Ergebnisse
Die Ergebnisse von „BeFaWei“ sollen vor allem Betrieben und politischen Akteuren konkrete Ansatzpunkte zur gezielten Förderung benachteiligter Beschäftigtengruppen liefern - ein wichtiger Schritt, um den neuen Arbeitsanforderungen und zunehmenden Engpässen auf dem Arbeitsmarkt im Zuge des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels sowie der digitalen und sozial-ökologischen Transformation zu begegnen.
Der besondere Fokus auf die relationalen Positionierungen der Beschäftigten und die sozialen Aushandlungsprozesse in Betrieb und Familie leistet darüber hinaus einen innovativen Beitrag zur Weiterbildungsforschung. Die hier gewonnenen Erkenntnisse und das entwickelte Forschungsdesign bilden somit die entscheidende Grundlage für den nachfolgenden Drittmittelantrag, der eine vertiefte und längerfristige Untersuchung des Phänomens ermöglichen soll und damit praxisnahe Handlungsoptionen für eine breitere Beteiligung an non-formaler Weiterbildung aufzeigen wird.
Die folgende Abbildung verdeutlicht abschließend noch einmal grafisch die angenommenen Wirkungszusammenhänge und das Forschungsdesign.
1.1.028 - Zwischen Betrieb und Familie: Barrieren unterrepräsentierter Beschäftigtengruppen im Zugang zu non-formaler Weiterbildung (BeFaWei)
Laufzeit I-25 bis IV-26
Geschlechtsspezifische Selektionsmechanismen non-formaler beruflicher Weiterbildung
Marco Seegers | Verlag Barbara Budrich | 2024
Basierend auf einem mechanistischen Theorieansatz und mit Daten des Nationalen Bildungspanels wurden geschlechtsspezifische Selektionsmechanismen non-formaler beruflicher Weiterbildung untersucht. Dabei bildet die geschlechtliche Differenzierung und Organisation von Erwerbs- und Sorgearbeit den Ausgangs- und das geschlechtsspezifische Weiterbildungsverhalten – vermittelt über die betriebliche Positionierung – den Endpunkt der angenommenen mechanistischen Wirkungskette. Die Ergebnisse zeigen, dass Männer insgesamt länger und Frauen (grundsätzlich) häufiger an non-formaler Weiterbildung teilnehmen (gender training gap). Der selektive Arbeitsmarktzugang von Frauen wirkt sich aufgrund von Sorgeverantwortung (gender time & care gap) negativ auf die betriebliche Positionierung aus, was besonders den Zugang für Mütter zu non-formaler Weiterbildung einschränkt (motherhood training penalty).