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Bildungsungleichheit nach dem Abitur – Beratung zum weiteren Bildungsweg „anders gedacht“

Fünfte gemeinsame Jahresvorlesung Berufsbildungsforschung des BIBB mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

02.06.2025

Im Austausch über Bildungsungleichheit nach dem Abitur: Dr. Hanno Kruse (Universität Bonn), Prof. Dr. Marita Jacob (Universität zu Köln) und Prof. Dr. Hubert Ertl (BIBB) bei der fünften gemeinsamen Jahresvorlesung des BIBB und der Universität Bonn.

Die fünfte gemeinsame Jahresvorlesung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn widmete sich der Frage, wie Bildungsungleichheiten nach dem Abitur durch gezielte individuelle Beratung zu verringern sind. Zahlreiche Teilnehmende aus Wissenschaft, Politik und Praxis waren der Einladung gefolgt und unterstrichen mit ihrer Präsenz die Relevanz dieses interdisziplinären Dialogs.

Dr. Hanno Kruse, Juniorprofessor für Soziologische Bildungs- und Ungleichheitsforschung an der Universität Bonn, eröffnete die Veranstaltung. In seiner Begrüßung dankte er dem Bundesinstitut für Berufsbildung für die Fortführung dieser spannenden Vorlesungsreihe, die sich mittlerweile fest etabliert hat.

Auch Prof. Dr. Hubert Ertl, Forschungsdirektor des BIBB, hob in seinem Grußwort die gute Kooperation hervor: „Die Jahresvorlesung ist ein zentraler Ort, an dem Wissenschaft, Politik und Praxis zusammenkommen. Hier entsteht ein Raum, um Perspektiven für die berufliche Bildung weiterzudenken – und im offenen Austausch neue Erkenntnisse zu teilen und zu diskutieren.“

Höhepunkt der Veranstaltung war der Vortrag von Prof. Dr. Marita Jacob, Professorin für Soziologie an der Universität zu Köln. In ihrer Präsentation mit dem Titel „Reduktion von Bildungsungleichheit nach dem Abitur – anders gedacht: Individuelle Beratung, berufliche Ausbildung und Studium“ stellte sie die Ergebnisse einer innovativen Interventionsstudie vor. Die Studie umfasste in der ersten Welle über 1.300 Schülerinnen und Schüler mit Hochschulreife.

Im Zentrum ihres Vortrags standen zwei Fragen: Kann individuelle Beratung soziale Ungleichheiten bei der Studienaufnahme in Deutschland reduzieren? Und wie wirkt sich die Beratung auf Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Herkunftsfamilien aus?

Prof. Dr. Jacob zeigte auf, dass eine längerfristig angelegte individuelle Beratung zu Bildungswegen überraschende Effekte hatte: So entschieden sich leistungsstarke Jugendliche aus nicht-akademischen Haushalten nach der Beratung häufiger für ein Studium. Gleichzeitig wählten aber auch Jugendliche aus akademisch geprägten Familien mit eher schwächeren Noten häufiger eine berufliche Ausbildung – also eine Option, die ihren individuellen Voraussetzungen besser entsprach.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich Schülerinnen und Schüler nach der individuellen Beratung bei Bildungsentscheidungen stärker an ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit orientieren und sich bei ihrer Entscheidung weniger stark von ihrer sozialen Herkunft oder dem Bildungsstand der Eltern beeinflussen lassen.

Prof. Dr. Jacob betonte, wie essenziell die enge Kooperation mit Praxispartnerinnen und ‑partnern für die Durchführung solcher Studien sei und rief zu mehr Mut zur interdisziplinären Zusammenarbeit sowie zur Grundlagenforschung auf. Im Ausblick verwies sie auf mögliche neue Erkenntnisse aus den Langzeitstudien und auf den großen Erfolg des entwickelten Beratungsprogramms, das mittlerweile an weiteren weiterführenden Schulen implementiert wurde und zusätzliche Ansätze für die (Berufs-)Bildungsforschung bietet.

Nach einer eingehenden Frage- und Antwortrunde schloss Prof. Dr. Ertl die Veranstaltung mit einem Dank an die Referentin und hob mit Verweis auf die mittlerweile veröffentlichten Studienergebnisse von Prof. Dr. Jacob und ihrem Team hervor: „Der lange Atem in der Forschung – ebenso wie im Vorlauf zu dieser Veranstaltung – zahlt sich aus.“

Beim anschließenden Empfang nutzten viele Gäste die Gelegenheit, sich mit der Referentin und untereinander auszutauschen. Das positive Feedback unterstrich die Bedeutung kontinuierlicher wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit im (beruflichen) Bildungswesen – insbesondere mit Blick auf Schulabgängerinnen und -abgänger aus verschiedensten Bildungsschichten.