Starker Zuwachs bei der Anerkennung ukrainischer Berufsqualifikationen
20.10.2025
In Deutschland ist die Zahl der Anträge auf Anerkennung ukrainischer Berufsqualifikationen ebenso wie jene zu Zeugnisbewertungen ukrainischer Hochschulabschlüsse seit 2022 deutlich gestiegen. Das BIBB-Anerkennungsmonitoring hat die Zahlen genauer betrachtet und stellt die Ergebnisse als Faktenblatt zur Verfügung.
Merkliche Dynamik bei der Anerkennung ukrainischer Berufsqualifikationen
Für 2024 zeigt die amtliche Anerkennungsstatistik, dass rund 7.300 Anträgen ukrainische Berufsqualifikationen zugrunde lagen. Dies ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert:
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Die Antragszahl ist bereits von 2022 zu 2023 erstmals deutlich gestiegen – sowohl bei den Berufen nach Bundes- als auch jenen nach Landesrecht.
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2024 erreichten die Anträge einen bisherigen Höchstwert. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Antragszahl mehr als verdoppelt, im Vergleich zu 2022 verfünffacht.
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Rund jeder zehnte Antrag bezog sich 2024 auf eine Berufsqualifikation aus der Ukraine, die damit zum ersten Mal den Ausbildungsstaat mit den zweitmeisten Anträgen stellte.
Wer stellt die Anträge? Welche Berufe stehen im Fokus? Wie gehen die Verfahren aus?
Das BIBB-Anerkennungsmonitoring hat einen genaueren Blick auf das Anerkennungsgeschehen ukrainischer Berufsqualifikationen im Jahr 2024 geworfen – die zentralen Erkenntnisse:
- Mit 71 Prozent waren es in erster Linie Frauen, die die Anerkennung ihrer ukrainischen Berufsqualifikation beantragten – ein merklich höherer Anteil verglichen mit dem Anteil am Gesamtgeschehen.
- Die Antragstellenden waren fast ausschließlich Staatsangehörige der Ukraine (94 Prozent).
- Bis auf wenige Fälle hatten sie ihren Wohnort in Deutschland. Der Anteil von 99 Prozent lag dabei deutlich über dem der Anträge insgesamt.
- Hauptsächlich bezogen sich die Anträge auf reglementierte Berufe – insbesondere auf Ingenieur/in, Pflegefachperson, Lehrer/in, Erzieher/in und Arzt/Ärztin. Es handelt sich dabei um solche Berufe, die gesetzlich besonders geschützt sind und bei denen die Erlaubnis zur Ausübung grundsätzlich an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen und meist weiterer Voraussetzungen gebunden ist (z.B. gesundheitliche Eignung, Sprachkenntnisse). Für im Ausland Qualifizierte bedeutet dies: Neben den weiteren Voraussetzungen muss für den ausländischen Abschluss eine volle Gleichwertigkeit zum deutschen Referenzberuf vorliegen.
- Die Ergebnisse der Anerkennungsverfahren zeigen eine hohe Anerkennungsfähigkeit ukrainischer Berufsqualifikationen. Je 40 Prozent der Verfahren zu reglementierten und nicht reglementierten Berufe endeten mit einer vollen Gleichwertigkeit. Weitere 55 Prozent der Verfahren zu nicht reglementierten Berufen hatten eine teilweise Gleichwertigkeit zum Ergebnis. Bei 56 Prozent der Verfahren zu reglementierten Berufen war das Ergebnis die „Auflage“ einer Ausgleichsmaßnahme. Diese Maßnahme müssen Antragstellende erfolgreich absolvieren, damit das Verfahren mit der für die Berufszulassung erforderlichen vollen Gleichwertigkeit in reglementierten Berufen abgeschlossen werden kann.
Wie stark prägen aus der Ukraine Geflüchtete das Anerkennungsgeschehen?
Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 sind viele Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer und Bleibeabsicht in Deutschland sowie politischen Bestrebungen wie dem „Job-Turbo“, der eine zeitnahe Integration ukrainischer Geflüchteter im erwerbsfähigen Alter in den deutschen Arbeitsmarkt zum Ziel hat, rückt damit die Frage nach der Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation weiter in den Fokus. Im Zusammenhang mit der Befristung des vorübergehenden Schutzes über §24 AufenthG – aktuell bis zum 4. März 2026 – gewinnen trotz der absehbaren Verlängerung um ein weiteres Jahr bis zum 04. März 2027 Wechsel in andere Aufenthaltstitel mit längerer Gültigkeit an Relevanz. Für Personen, die einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit anstreben, ist in der Regel die Anerkennung ihrer Berufsqualifikation erforderlich.
Eine Analyse, ob und zu welchen Teilen es sich bei den Personen, die einen Antrag auf Anerkennung ihrer ukrainischen Berufsqualifikation stellen, um Geflüchtete handelt, ist mit den Daten der amtlichen Anerkennungsstatistik nicht möglich. Grund ist, dass die Statistik den Aufenthaltsstatus der Antragstellenden nicht erfasst.
Gleichwohl: Der Detailblick auf die Anerkennung ukrainischer Berufsqualifikationen gibt Grund zu der Annahme, dass aus der Ukraine Geflüchtete das Geschehen mittlerweile prägen:
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Die Anträge auf Anerkennung sind im Folgejahr des Beginns der großen Fluchtbewegung sprunghaft und seitdem weiter gestiegen.
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Die Antragstellenden sind weitestgehend ukrainische Staatsangehörige und haben ihren Wohnort in Deutschland, nur punktuell liegt er im Ausland.
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Zu den Erwerbsfähigen, die außerhalb der Ukraine Schutz suchen, gehörten in erster Linie Frauen und es sind in der Hauptsache Frauen, die die Anerkennung ihrer ukrainischen Berufsqualifikation in Deutschland beantragen.
Ergebnisse anderer Untersuchungen – die der IAB-BAMF-SOEP Befragung – zeigen, dass ein Teil der aus der Ukraine Geflüchteten bereits einen Antrag auf Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation gestellt hat. Auch das stützt die Annahme.
Wichtig: Der umfassende Blick – Zeugnisbewertung für Hochschulabschlüsse
Die Anerkennungsgesetze von Bund und Ländern regeln die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen für in Deutschland reglementierte Berufe (z.B. Arzt/Ärztin, Pflegefachperson, Lehrer/in) und für eine Reihe nicht reglementierter Berufe, zu denen beispielsweise die Ausbildungsberufe des dualen Systems gehören.
Für im Ausland erworbene Hochschulabschlüsse, die zu einem in Deutschland nicht reglementierten Beruf führen, gibt es hingegen die Zeugnisbewertung nach der Lissabon-Konvention. Die Statistik der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) zeigt:
- Auch bei der Zeugnisbewertung ukrainischer Hochschulabschlüsse ist eine deutliche Dynamik zu erkennen.
- Die Zahl der Anträge auf Zeugnisbewertung zu diesen Abschlüssen stieg sprunghaft von rund 4.100 Anträgen (2022) auf rund 25.300 Anträge im Jahr 2023 an.
- 2024 stieg das Antragsgeschehen abermals stark an und erreichte mit rund 45.100 Anträgen einen neuen Höchstwert. Im Vergleich zu 2022 hat sich die Antragszahl damit verzehnfacht.
Sowohl die Regelung zur Anerkennung als auch jene der Zeugnisbewertung sind Instrumente zur Einordnung ausländischer Berufsqualifikationen und Hochschulabschlüsse in das deutsche Bildungs- beziehungsweise Berufsbildungssystem. Bei der Debatte um die Sichtbarmachung und Anschlussfähigkeit ukrainischer Abschlüsse für den deutschen Arbeitsmarkt muss daher auch die Zahl der Zeugnisbewertungen mit in den Blick genommen werden. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass nicht reglementierte Berufe auch ohne eine formale Qualifikation oder Anerkennung einer im Ausland erworbenen Qualifikation ausgeübt werden können. Beide Instrumente können aber die weitere Arbeitsmarktintegration unterstützen.