BP:

Schlagworte A-Z. Bitte wählen Sie einen Anfangsbuchstaben:

 

Schmuckberufe im Fokus

Löten, schmelzen, hämmern, polieren. Die Berufe der Schmuckherstellung sind vielfältig. Zehn dieser Berufe hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf den Prüfstand gestellt und das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mit einer Evaluation beauftragt. Dabei ging es um den Bedarf, die nachhaltige Arbeitsmarktverwertbarkeit, die Aktualität der Ausbildungs- und Prüfungsinhalte sowie die Schnittmenge zwischen den Berufen.

Laute Schläge schallen durch die Werkstatt, während ein junger Auszubildender mit einem Hammer auf ein Stück Silber schlägt, das so groß ist, wie ein kleiner Teller. Mit jedem Schlag biegt es sich stärker um ein spitz zulaufendes Stück Eisen. Es wird noch viele Stunden dauern, bis daraus schließlich ein individuell gefertigter silberner Becher wird. Silberschmiede stellen nicht, wie der Name vermuten lassen könnte, silbernen Schmuck her, sondern Gegenstände wie Kelche, Vasen oder Weihrauchkessel. Die meisten Gegenstände werden für den kirchlichen Bereich gefertigt. In den vergangenen zehn Jahren wurden in Deutschland im Schnitt drei neue Ausbildungsverträge in dem Beruf Silberschmied/in pro Jahr abgeschlossen. „Das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen ist in diesem Beruf seit Jahren konstant gering“, sagt Brigitte Seyfried, die im Bundesinstitut die Berufe der Schmuckherstellung untersucht hat.

Der Ausbildungsberuf Silberschmied/in war nur einer von insgesamt zehn Berufen aus dem Schmuckbereich, den sie dabei genauer betrachtet hat. Darunter sind auch Berufe wie Edelmetallprüfer/in oder Vorpolierer/in, die aus dem Jahr 1937 beziehungsweise 1940 stammen. Eine Ausbildungsordnung sucht man hier vergeblich. Auf einer Seite sind bei diesen Berufen knapp die Fertigkeiten und Kenntnisse festgehalten, die während der Ausbildung vermittelt werden sollen. Zum Vergleich: Die 2015 erlassene Geigenbauerausbildungsverordnung beispielsweise ist insgesamt 13 Seiten lang. Im Jahr 2014 haben drei Jugendliche mit ihrer Ausbildung zum Edelmetallprüfer/zur Edelmetallprüferin begonnen. Zum Vorpolierer/zur Vorpoliererin hat sich in Deutschland hingegen seit 2009 niemand mehr neu ausbilden lassen. „Ein Grund dafür mag sein, dass sich das Berufsbild des Vorpolierers und der Vorpoliererin vollständig im Berufsbild des Feinpolierers und der Feinpoliererin wiederfindet“, erklärt Brigitte Seyfried, die in dem Abschlussbericht zur „Evaluation des Bedarfs zur Neuordnung von Berufen der Schmuckherstellung“ gemeinsam mit Ulrike Azeez die Ergebnisse ihrer Untersuchungen niedergeschrieben hat. Ein weiterer Grund wird in dem Abschlussbericht festgehalten: Aufgaben wie zum Beispiel das Polieren werden in der Branche zunehmend von angelernten Arbeitskräften ausgeübt.

Sich ein Bild vor Ort machen

Das BIBB ist bei der Untersuchung unter anderem folgenden Fragen nachgegangen: Wie entwickelt sich die Zahl der Ausbildungsverhältnisse? Wie wird der künftige Fachkräftebedarf eingeschätzt? Welche Berufe lassen sich zusammenfassen? Dazu erhoben Brigitte Seyfried und Ulrike Azeez nicht nur Daten und recherchierten in der vorhandenen Literatur, sondern sprachen in 83 telefonischen Interviews mit Verantwortlichen in den Unternehmen und besichtigten insgesamt 13 Betriebe vor Ort. „Es ist wichtig, dass wir uns die Arbeit und die Ausbildung tatsächlich vor Ort ansehen konnten, um uns ein besseres Bild machen zu können“, erklärt Brigitte Seyfried. Bei der Evaluierung wurde sie von einem Sachverständigenbeirat begleitet, in dem Vertreter der Bundesverbände und betriebliche Sachverständige für die zu evaluierenden Berufe vertreten waren. Ausschlaggebend bei der Evaluierung waren die vorgegebenen Fragen. „Meine persönliche Meinung spielt bei derartigen Untersuchungen keine Rolle“, berichtet Brigitte Seyfried, „in meinem Bericht geht es darum, die Ergebnisse objektiv wiederzugeben.“

Bis auf Goldschmiede und vereinzelt auch Silberschmiede konzentrieren sich die untersuchten Ausbildungsberufe der Schmuckherstellung in Deutschland auf zwei Regionen: Pforzheim und Idar-Oberstein. Während die Geschichte des Edelsteinabbaus in der Region Idar-Oberstein bereits im 14. Jahrhundert begann, wurde der Grundstein zur Schmuckindustrie in Pforzheim erst im 18. Jahrhundert gelegt, als eine Taschenuhrfabrik errichtet wurde, die auch Schmuck und Stahlwaren herstellte. 1913 waren von den rund 75.000 Einwohnern Pforzheims fast die Hälfte in der Schmuck- und Uhrenindustrie beschäftigt. Heute arbeiten in der Goldstadt immer noch rund 11.000 Menschen in diesem Bereich. Auch die Geschichte Idar-Obersteins ist eng mit Edelsteinen, Gold und Schmuck verbunden. Bereits 1745 wurde eine herrschaftliche Zunftordnung für Goldschmiede erlassen. 1924 waren allein in damaligen Idar 2.400 Edelsteinschleifer ansässig. Noch 1954 erwirtschaftete die Schmuckwarenindustrie in der Region 20 Millionen Mark, unter anderem auch mit der Produktion von Modeschmuck. Mittlerweile ist die Schmuckproduktion in Deutschland stark rückläufig. Viele Standardschmuckprodukte werden in Asien produziert oder maschinell hergestellt. Rohsteine direkt in den Erzeugerländern bearbeitet. Die vorhandenen Handwerksbetriebe haben sich überwiegend auf einzigartige, qualitativ hochwertige Schmuckstücke spezialisiert. Manche ehemalige Unternehmen der Schmuckindustrie beliefern heute die Medizintechnik oder Automobilhersteller.

Immer weniger Auszubildende

Ausgebildet wird mehrheitlich für den eigenen Bedarf. „Viele alteingesessene und traditionelle Firmen befinden sich seit Jahrzehnten in Familienhand. Da studiert der Sohn oder die Tochter Betriebswirtschaft und macht dann noch die entsprechende Ausbildung, um das Unternehmen später führen zu können“, berichtet die BIBB-Mitarbeiterin. Die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse ist bis auf den Goldschmied seit Jahren rückläufig oder gleichbleibend gering. Der Bericht hält fest, dass sich allerdings auch kaum Jugendliche für Ausbildungen in diesem Bereich interessieren. Laut den Gesprächspartnern in den Betrieben sind bei den wenigen Bewerbern auch ungeeignete anzutreffen, so dass nicht alle Stellen besetzt werden können. Eine Ausnahme bei den untersuchten Berufen stellt der Ausbildungsberuf Goldschmied/in dar. Hier wurden im vergangenen Jahr 243 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Da einige Betriebe nicht so viele Aufträge haben, dass sie jemanden in Vollzeit beschäftigen könnten, geben sie ihre Arbeiten in Spitzenzeiten an Spezialisten ab, die sich selbstständig gemacht haben. „Mir wurde berichtet, dass Selbstständige etwa im Bereich Fassen besser verdienen können als Angestellte. Wenn sich jemand in diesem Bereich einen Namen gemacht hat, kommen Kunden aus ganz Deutschland“, berichtet Brigitte Seyfried.

Für jeden der zehn Berufe zeigt der Abschlussbericht aber nicht nur statistische Daten auf, sondern er fasst auch die Ergebnisse der Interviews zusammen und beleuchtet, wo es Schnittmengen zwischen den Berufen gibt und welche Handlungsalternativen möglich sind. Darunter führen die Autorinnen verschiedene Möglichkeiten für die Zukunft der Ausbildung in diesen Berufen auf. Pro Beruf werden dabei zwei bis fünf Alternativen genannt, die von einer Neuordnung und Modernisierung, über eine Zusammenlegung mit anderen Ausbildungsberufen bis hin zu einer Aufhebung des Berufes reichen. „Meine Arbeit ist mit der Zusammenstellung der Ergebnisse getan“, sagt Brigitte Seyfried. „Nun müssen sich im nächsten Schritt die Spitzenverbände und die Vertreter der Verbände der jeweiligen Berufe einigen, ob und welche der Handlungsalternativen sie bevorzugen“. Nach rund eineinhalb Jahren Arbeit an der Evaluation sind die Autorinnen nun selbst gespannt, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus der Evaluierung gezogen werden.

Abschlussbericht der Evaluation des Bedarfs zur Neuordnung von Berufen der Schmuckherstellung


Text: Katerina Breuer