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Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie - Kulturwandel in der Berufsausbildung, 10 Jahre Teilzeitausbildung im BBiG

BIBB-Tagung am 16. März 2016

Seit zehn Jahren ist die Teilzeitausbildung im BBiG (§ 8) verankert. Diese gesetzliche Regelung ermöglicht es Auszubildenden mit Kind(ern) oder mit pflegebedürftigen Angehörigen ihre betriebliche Ausbildungszeit durch eine tägliche oder wöchentliche Reduzierung zu flexibilisieren. Damit soll die Vereinbarkeit von Berufsausbildung und Familie ermöglicht werden.

Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie - Kulturwandel in der Berufsausbildung, 10 Jahre Teilzeitausbildung im BBiG

Das BIBB möchte mit dieser Tagung gemeinsam mit der Fachöffentlichkeit aus Wissenschaft und Praxis einen Blick zurück auf die bildungs- und gesellschaftspolitischen Entwicklungen von Anfang der 1990er Jahre bis hin zur gesetzlichen Verankerung der Teilzeitausbildung im Jahr 2005 werfen. Zugleich wird danach gefragt, wie der Stand der Dinge heute ist und welches Résumée für die Kulturentwicklung hin zur Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie aus den vorliegenden Erfahrungen gezogen werden kann. Dabei stehen drei bildungspolitische und drei gesellschaftspolitische Themen- und Handlungsfelder im Mittelpunkt. Es geht zum einen um Lebensentwürfe junger Frauen und Männer heute, um Teilhabechancen von Müttern an Beruf und Karriere und um einen Wandel von Überforderung hin zu Vereinbarkeit als Kennzeichen der Lebenssituation von Generationen. Es geht zum anderen um finanzielle und soziale Ressourcen im Arbeitslosengeld-II-Bezug und um Strukturen und Kompetenzen für den Zugang zu Ausbildung in Teilzeit.
Das BIBB bietet als engagierter Ausbildungsbetrieb Ausbildung in Teilzeit an. Somit unterstützt es junge Menschen mit Familienpflichten, einen qualifizierten Ausbildungsabschluss zu erwerben. Die Ausbildungsstellen werden mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Teilzeitausbildung ausgeschrieben. Das BIBB arbeitet mit dem CJD-Bonn, Projekt ModUs zusammen – und: zahlt die volle Ausbildungsvergütung.

Eine kurze Geschichte der Teilzeitausbildung - Wo stehen wir heute im 11. Jahr der gesetzlichen Regelung im BBiG? Wo wollen wir hin?

Anhand der Entwicklung des i-phone von 2007 bis heute zeigte Prof. Dr. Heister auf, wie schnell die technische Entwicklung gewesen ist – während, im Gegensatz dazu, die soziale Entwicklung der Teilzeitausbildung seit ihrer gesetzlichen Verankerung im Jahr 2005 im BBiG extrem langsam verläuft – wie auch anhand der Tabelle ‚Eine kurze Geschichte der Teilzeitausbildung‘ zu erkennen ist . Bekenntnisse und Zielsetzungen, wie sie seitdem von den Sozialpartnern, zahlreichen Bildungs- und SozialpolitikerInnen formuliert und schriftlich niedergelegt worden sind, führen nicht nur nicht zu besseren Ergebnissen, sondern treten schon rein sprachlich mehr oder minder auf der Stelle. Die Frage also, wie hier Beschleunigung und Verbesserung erreicht werden kann, ist Gegenstand der Beiträge und Diskussionen auf der heutigen Veranstaltung.
Ein Aspekt ist die Entwicklung von Marketingstrategien und –ansätzen, die allerdings die Herzen der Kunden erreichen müssten, damit ein Umdenken stattfinden kann. Kunden – das sind in dem Fall die Individuen, potentielle Auszubildende, Betriebe, Berufsschulen. Sie alle brauchen jeweils einen passenden Marketing-Zuschnitt.

Von der Teilzeitausbildung zur Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie

Beim Blick zurück auf die Geschichte der Teilzeitausbildung kommt man zu einem positiven Fazit: die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse wächst, breitflächig gibt es Informationen für Ausbildungssuchende und Betriebe, verschiedene Interessenten und Interessentinnen – neben Müttern selbst auch Unterstützungspersonen, sowie Unternehmen, Organisationen und sogar internationale Organisationen und ausländische Delegationen, die das BIBB besuchen. Zugleich sind die Herausforderungen deutlich geworden, vor denen wir bei der Umsetzung der Teilzeitausbildung noch immer stehen. Das zeigen auch die Ergebnisse einer Kurzbefragung von Akteuren der Teilzeitausbildung im Rahmen des BIBB-Projekts ‚Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie‘. Notwendig ist der Schritt von der Teilzeitausbildung zur Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie. Dabei ist die Möglichkeit der Flexibilisierung und Verkürzung der betrieblichen Ausbildungszeit ein Element. Veränderungen in gesellschaftspolitischen und bildungspolitischen Handlungsfeldern sind dazu passende Veränderungen notwendig.

Teil I - Lebenskonzepte - Teilhabe - Lebenslagen - Gesellschaftspolitische Handlungsfelder

Von der Ausnahme zur Regel – das war der Gedanke bei der rechtlichen Verankerung der Möglichkeit der Teilzeitausbildung im Berufsbildungsgesetz.
Die Hoffnung war auch, dass junge Mütter / Väter im Ausbildungsbereich nicht mehr als spezielle Sonderfälle mit Ausnahmeregelungen gelten würden, sondern als Auszubildende, die Ausbildung und Familie vereinbaren wollen und unter einen Hut bringen müssen. Im Gegensatz zu anderen scheinen sie eine Gruppe zu sein, für die Familie einen herausragenden und wichtigen Stellenwert hat. Aber ist das so? Welchen Stellenwert hat Familie in den Lebensentwürfe junger Frauen und junger Männer heute? Und lassen sich ihre Wünsche realisieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die nächste Referentin im Rahmen von Studien am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.  

Lebensentwürfe junger Frauen und Männer heute

So unterschiedlich Lebensentwürfe sind - der Wunsch nach Ausgleich Familie/ Beruf ist verbreitet und gehört heute dazu. Wunsch und Wirklichkeit klaffen eher auseinander sobald Kinder da sind, blickt man auf Arbeitszeiten, Arbeitsteilung – auch bei der Familienarbeit – und Verdienst und Aufstiegschancen. Besonders stark – so die Erfahrungen aus der Umsetzung der Teilzeitausbildung - sind diese Effekte bei all den jungen Frauen/jungen Männern, die die Lebensphase Familiengründung vor oder in die Phase der Ausbildung stellen.
Vielleicht sind die Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, denen von Müttern im Berufsleben generell ganz ähnlich? Wie sehen Karriereperspektiven berufstätiger Mütter aus? Was befördert sie, was behindert sie? Was sagen berufstätige Mütter selbst dazu? Mit diesen Fragen hat sich unsere nächste Referentin befasst und dazu 2015 die „1. Frankfurter Karrierestudie – Karriereperspektiven berufstätiger Mütter“ veröffentlicht.

Teilhabe-Chancen von Müttern an Beruf und Karriere

Das Thema ist also nicht allein und vorrangig die Verkürzung von Arbeitszeit, sondern es sind verschiedene Aspekte, die in der Studie genannt werden, allen voran qualifizierte Arbeit auch bei Teilzeit, Image von Müttern, Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitgestaltung.

Von der überforderten Generation zur Generation Vereinbarkeit?

Der Zeitfaktor tritt ja, wenn es um Teilhabechancen und Vereinbarkeit geht - immer wieder hervor, und es mag manchmal erscheinen, als sei dieser eine mehr oder minder eigenständige Größe, die - je nachdem, ob man Kinder hat oder nicht - zu oder abnimmt. Allerdings ist die Zeit - hier bezogen auf Familie – durchaus auch historisch durch die jeweilige gesellschaftliche Organisation und Ausgestaltung von Leben und Arbeit geformt. Wie sich Familien-Zeiten verändert haben und welche Auswirkungen das auf die unterschiedlichen Generationen hat, hat unsere nächste Referentin gemeinsam mit Professor Hans Bertram an der Humboldt-Universität Berlin erforscht.

Teil II - Ressourcen – Strukturen – Kompetenzen - Bildungspolitische Handlungsfelder

Eine gute Berufsausbildung ist die Basis für ein eigenständiges Leben. Um Zugang zu einer Ausbildung zu finden und sie erfolgreich zu durchlaufen, braucht man finanzielle und soziale Ressourcen. Gerade junge Mütter / Väter verfügen oftmals nicht ausreichend über solche Ressourcen. Besonders betroffen: Alleinerziehende. Wie kann eine gute, unterstützende Förderung aussehen? Dazu können wir Erkenntnisse aus den Arbeiten unserer nächsten Referentin erwarten.       

Strukturen und Kompetenzen für den Zugang zu Ausbildung in Teilzeit

Elternschaft wird besonders dann für junge Mütter / Väter zum Armutsrisiko, wenn (noch) kein Berufsabschluss erworben worden ist. Zugleich bedeutet Elternschaft- auf besondere Weise Mutterschaft – ein Hindernis beim Zugang zu einer Berufsausbildung.

Die Schaffung geeigneter Übergangswege in Ausbildung umfasst individuelle Bestärkung und Begleitung von Müttern und Vätern in Ausbildung und Entwicklung von Kompetenzen zur Gewinnung von Betrieben, Ausbildungspersonal und Bildungsträgern in regionalen Netzwerken. Zwei Programme zeigen, wie es gehen kann. Was ist besonders herausragend und wirkungsvoll? Was kann kann vom Programm bzw. Modell übertragen werden? Welche Elemente wären da besonders hervorzuheben? Diese Fragen beschäftigen auch die beiden nächsten Referentinnen.

Teil III - Was tun? Wandel hin zur familiengerechten Kultur in der Berufsausbildung

Gemeinsamer Ratschlag

In den politischen und gesellschaftlichen Diskussionen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte der Bereich der Berufsausbildung stärker mitgedacht werden. Damit kann das Thema Teilzeitberufsausbildung auch eine stärkere Beachtung bei der Umsetzung von Initiativen zur Vereinbarkeit erhalten und dies insbesondere im Rahmen der Initiativen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. So die Analyse im Rahmen der Diskussion, die sich mit den drei Experten Stefan Reuyß (SowiTra – Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer, Berlin), Annette Land (Programmstelle JOBSTARTER beim Bundesinstitut für Berufsbildung), Dr. Frank Meissner (Leiter des Projekts Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten, DGB) und dem Publikum am Ende der Tagung entwickelte. Die Teilnehmenden nutzen die Gelegenheit, um die verschiedenen Empfehlungen aus der Sicht ihrer jeweiligen Organisation und aus den Erfahrungen ihrer Projektarbeit zu benennen.

Résumée von Angelika Puhlmann

Wir sehen, dass wir aus der Forschung über die Entwicklungen in den gesellschaftspolitischen Handlungsfeldern - Lebenskonzepte, Teilhabe, Lebenslagen – Erkenntnisse und Anregungen für die Entwicklung einer familiengerechten Gestaltung der Berufsausbildung gewinnen können.
Ebenso sind Erkenntnisse und Veränderungserfahrungen aus Forschung und Programm- und Modellentwicklungen in den bildungspolitischen Handlungsfeldern – Ressourcen – Stukturen – Kompetenzen – grundlegend wichtig und müssen in die Kulturentwicklung in der Berufsausbildung transferiert werden.
Die großen Themen und Trends ‚Familiengerechte Gestaltung‘ und ‚Vereinbarkeit von Beruf und Familie‘ ist bisher am Bereich der Berufsausbildung fast ganz vorbei gegangen. Die Berufsausbildung muss hier aber den Anschluss finden an die Entwicklungen und Standards im Berufs- und Erwerbsbereich – wie sie auch von Gewerkschaften, Unternehmen sowie Landes- und Bundesministerien vorangebracht und unterstützt werden

  • damit die über 100.000 jungen Mütter und jungen Väter, die (noch) keine Berufsausbildung erworben haben, Fachkräfte werden können,
  • damit Schwangerschaft und Elternschaft nicht zum Ausbildungsabbruch führen,
  • damit Berufsausbildung auch für ‚ältere‘ Auszubildende interessant ist
  • und schließlich – damit Berufsausbildung an Attraktivität und Zukunftsfähigkeit gewinnt.

Schlusswort

Wir werden im BIBB, in Zusammenarbeit des Arbeitsbereichs 3.1 und der Programmstelle Jobstarter, an praxisbezogenen Anstößen für die Entwicklung einer familiengerechten Kultur in der Berufsausbildung arbeiten und den Austausch mit Ihnen und der Fachöffentlichkeit weiter pflegen.

Impressionen von der Tagung