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Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf die duale Berufsausbildung

Risiken, Konsequenzen und Handlungsnotwendigkeiten

Welchen Einfluss haben die Corona-bedingten wirtschaftlichen Entwicklungen auf den Ausbildungsmarkt? Dieser Frage geht das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in einer neuen Studie anhand einer Szenarien-Analyse nach und stellt Risiken, Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten vor. Die Ergebnisse wurden jetzt als Preprint veröffentlicht.

Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf die duale Berufsausbildung

Seit März 2020 hat das Corona-Virus (SARS-CoV-2) Deutschland fest im Griff. Die Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben sind enorm. Da es in nahezu ganz Europa ähnliche wirtschaftliche Beschränkungen gibt und somit Deutschlands wichtigste Handelspartner gleichfalls betroffen sind, sind durch den „Lock-down“ sowohl Produktions- als auch Nachfrageausfälle zu erwarten.

Die Produktionsausfälle führen bei vielen Selbstständigen und Angestellten zu Einkommenseinbußen. Betriebe klagen über einen unsicheren Planungshorizont, veranlassen Kurzarbeit, verschieben Neueinstellungen oder müssen ihren Beschäftigten kündigen. Zuletzt kann auch die betriebliche Insolvenz drohen.

Die Konsequenzen, die Selbstständigen und Angestellten aufgrund eines fortschreitenden Lock-downs drohen, übertragen sich auch auf (potenzielle) Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO). Der Vorteil des dualen Systems, die enge Kopplung der beruflichen Ausbildung an den Bedarf der Wirtschaft, kann im wirtschaftlichen Krisenfall dazu führen, dass weniger Jugendliche dual ausgebildet werden.

Vor diesem Hintergrund entwickelt das jetzt als Preprint erschienene BIBB-Studie „Auswirkungen der Corona-Krise auf die duale Berufsausbildung – Risiken, Konsequenzen und Handlungsnotwendigkeiten“ mögliche Szenarien zu Ausbildungsstellenangebot und –nachfrage zum Stichtag 30.09.2020. Neben den allgemeinen Prognosen zur Ausbildungsmarktentwicklung wird dargelegt, welche Ausbildungsberufe und welche Schulabgängergruppen durch die Corona-Krise besonders betroffen sind. Basierend auf diesen Überlegungen werden zudem Handlungsmöglichkeiten für die Politik abgeleitet.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze

In Krisenjahren suchen Jugendliche nach Ausbildungsalternativen

Die Entwicklungen aus bisherigen Krisenjahren machen deutlich, dass ein wirtschaftlicher Einbruch die Bereitstellung an betrieblichen Ausbildungsplätzen in der Regel verringert. Allerdings zeigt sich auch, dass Jugendliche die vergleichsweise schlechteren Ausbildungschancen antizipieren und sich nach Alternativen zu einer dualen Ausbildung umschauen. Diese Ausbildungsalternativen ergeben sich insbesondere für studienberechtigte Jugendliche.

Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sinkt 2020 voraussichtlich unter 500.000

Die mit diesem Papier vorgestellten Szenarien-Analysen zeigen, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2020 voraussichtlich weniger als 500.000 Neuabschlüsse betragen wird und damit mindestens 25.000 weniger als im Jahr 2019. Je mehr der, voraussichtlich besser qualifizierten, Jugendlichen ihr Ausbildungsinteresse zurücknehmen, desto weniger Ausbildungsverträge werden zustande kommen und desto eher werden auch Besetzungsprobleme für Betriebe wahrscheinlich. Bei einem Rückgang des Wirtschaftswachstums um 7 Prozent und einem gleichzeitigen Rückgang des Nachfragepotenzials könnte die Zahl der Neuabschlüsse unter Berücksichtigung von Schätzunsicherheiten auch auf bis zu 460.000 Verträge fallen. Bei einem Wirtschaftseinbruch im zweistelligen Prozentbereich wird die Zahl der Neuabschlüsse aller Voraussicht nach unter 460.000 Verträgen liegen.

Zahl der unvermittelten Ausbildungsplatzbewerber/innen steigt an

Die Zahl der unvermittelten Bewerber/innen für eine Berufsausbildung könnte bei einem unverminderten Ausbildungsinteresse und bis zu 7 Prozent Wachstumsverlust maximal 89.700 Personen betragen und damit 16.000 mehr als im Jahr 2019. Ziehen die Jugendlichen ihr Ausbildungsinteresse antizipativ zurück, wäre die Zahl der unvermittelten Bewerber/innen um rund 1.200 Personen geringer. Bei einem Wachstumseinbruch von 11,2 Prozent, könnte die Zahl der unvermittelten Bewerber/innen aber auch auf bis zu 97.900 Personen ansteigen.

Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben schlechtere Perspektiven als Studienberechtigte

Weiterführende Branchenanalysen zeigen, dass durch die Corona-Krise vor allem Ausbildungsplätze betroffen sind, die von Personen mit Hauptschulabschluss ergriffen werden und weniger von Studienberechtigten. Dies weist darauf hin, dass die Zahl der unvermittelten Bewerber stärker ansteigen könnte als es sich durch die ökonometrischen Schätzungen ergibt, denn diese Jugendlichen haben weniger Optionen für alternative Ausbildungswege. Es ist deshalb zu hinterfragen, wie die erfolgreiche Suche nach einer betrieblichen Berufsausbildung für Jugendliche ohne und mit Hauptschulabschluss unterstützt werden könnte.

Besondere Unterstützungsleistungen für Betriebe in besonders betroffenen Branchen

Um einen starken Rückgang der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zu verhindern, müssten Betriebe in besonders betroffenen Branchen unterstützt werden, für die keine Nachholeffekte in der „Post-Corona-Zeit“ erwartet werden. Hierzu zählt beispielsweise das „Gastgewerbe“ oder „Sport und Tourismus“.

Ausbildungsbemühungen von Betrieben in Krisenzeiten müssen honoriert werden

Bei finanziellen Soforthilfen sollten Ausbildungsbemühungen von Betrieben besonders honoriert werden, da sie zu einer notwendigen langfristigen Fachkräftesicherung beitragen. Insbesondere das erste Ausbildungsjahr ist von betrieblicher Seite mit hohen Aufwänden verbunden. Wenn Betriebe aber auch in der Krisenzeit ihr Ausbildungsengagement beibehalten und den Jugendlichen eine langfristige berufliche Perspektive verdeutlichen können, gelingt es auch eher das Ausbildungsinteresse von Jugendlichen aufrechtzuerhalten.