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Betriebliche Qualifikationsnachfrage. Die Rolle von Mindestlöhnen, Fachkräfteengpässen und informellem Training

Carolin Linckh

Die Dissertation untersucht, wie Betriebe ihren Qualifikationsbedarf unter unterschiedlichen Arbeitsmarkt- und institutionellen Rahmenbedingungen decken. Im Fokus stehen drei Bereiche: (1) für den Bereich der Ausbildung die Mindestvergütung von Auszubildenden, (2) bei der externen Rekrutierung die regionale Verfügbarkeit von Fachkräften sowie (3) die betrieblichen Investitionen in informelles Training bei der Einarbeitung von Fachkräften.

(1) Wie wirkt sich eine höhere Mindestausbildungsvergütung für Auszubildende auf die Beschäftigung von Auszubildenden aus?

Der erste Teil der Dissertation analysiert die Auswirkungen einer höheren Mindestausbildungsvergütung auf die Beschäftigung von Auszubildenden. Grundlage ist die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes, das Vergütungsunterschiede aufgrund des Alters untersagt; Jugendabschläge waren bis zur Abschaffung in einigen Wirtschaftszweigen übliche Praxis. Die Ergebnisse zeigen, dass die Beschäftigung von Auszubildenden insgesamt kaum durch die Anhebung der Mindestvergütung beeinflusst wurde. Für Auszubildende mit Hauptschulabschluss wurden jedoch weniger neue Verträge abgeschlossen.

(2) Wie passen Betriebe ihre Einstellungspraktiken bei zunehmenden Fachkräfteengpässen an?

Der zweite Teil untersucht die Rekrutierungsstrategien von Betrieben bei zunehmenden Fachkräfteengpässen. Die Analysen zeigen, dass die Suchkosten bei der Rekrutierung neuer Fachkräfte nur einen geringen Teil der gesamten Einstellungskosten ausmachen: 84 Prozent der Einstellungskosten sind Einarbeitungskosten. Wenn Fachkräfteengpässe zunehmen, zeigt sich, dass Betriebe ihre Einstellungsstandards senken und mehr in die Einarbeitung neuer Fachkräfte investieren.

(3) Hängt informelles Training während der Einarbeitung mit der Fluktuation von Beschäftigten zusammen?

Der dritte Teil analysiert den Zusammenhang zwischen informellem Training während der Einarbeitung und der Fluktuation neu eingestellter Beschäftigter. Es zeigt sich, dass mehr informelles Training mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit verbunden ist, dass neu eingestellte Fachkräfte den Betrieb innerhalb der ersten sechs Monate wieder verlassen. Werden die ersten 12 Monate betrachtet, verliert dieser Zusammenhang jedoch an Relevanz. Innerhalb des ersten Jahres sind es vor allem Lohnprämien, die negativ mit der Fluktuationswahrscheinlichkeit zusammenhängen.

Die drei Studien verdeutlichen, dass die betriebliche Qualifikationsnachfrage auf politische und ökonomische Rahmenbedingungen reagiert. Steigende Ausbildungsvergütungen können die Chancen von Jugendlichen mit geringeren Schulabschlüssen mindern und sollten daher durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz abgefedert werden. Dass Betriebe bei Fachkräfteengpässen verstärkt in informelles Training investieren, betont die Bedeutung dieser informellen Qualifizierung. In Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs könnte diese – neben formellen Ausbildungsprogrammen – stärker in den Fokus der Arbeitsmarktpolitik genommen werden. Die Ergebnisse weisen zudem darauf hin, dass neue Beschäftigungsverhältnisse stabiler sind, wenn mehr in informelles Training investiert wurde. Informelles Training hat somit eine hohe praktische Relevanz für die Verringerung von (vermeidbarer) Beschäftigtenfluktuation und kann damit fluktuationsbedingte Kosten für Betriebe und Beschäftigte reduzieren.