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Open Access – Ein Interview mit Dr. Bodo Rödel

Ute Zander, Leiterin der Stabsstelle Online-Kommunikation und Wissensmanagement im BIBB, und Dr. Bodo Rödel, Leiter der Stabsstelle Publikationen und Wissenschaftliche Informationsdienste, sprechen über das Publikationsmodell Open Access, dessen Einsatz im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und die Potentiale dieses Modells.

Open Access – Ein Interview mit Dr. Bodo Rödel

Ute Zander: Ich habe heute meinen Kollegen Herrn Dr. Bodo Rödel zu Gast. Herzlich willkommen! Sie möchten heute von einem Herzensthema erzählen – Open Access. Wie sind Sie auf das Thema Open Access aufmerksam geworden?

Bodo Rödel: Als ich ins BIBB gekommen bin, war das Thema Open Access für mich Neuland. Ich komme aus dem Verlagswesen. Dort geht es natürlich in erster Linie darum, Publikationen zu verkaufen und damit Geld zu verdienen. Im BIBB gab es schon Vorarbeiten zum Thema Open Access - beispielsweise eine Open Access Policy. Ich habe mich dann intensiver mit dem Thema beschäftigt und relativ schnell verstanden, dass das Thema Open Access für die Wissenschaftskommunikation und für die Verbreitung der Forschungs- und Arbeitsergebnisse des BIBB von ganz zentraler Bedeutung ist. Seitdem haben wir uns im BIBB dem Thema immer systematischer angenommen. Wir haben unsere Publikationsreihen sukzessive auf Open Access umgestellt und beschäftigen uns im Rahmen des Forschungsprojekts „Open Access in der Berufsbildungsforschung“ mit dem Thema Open Access: Es geht darum herauszufinden, welche Bedingungen es für die Verbreitung, die Akzeptanz und die Nutzung von Open Access gibt.

Ute Zander: Jetzt einmal für Laien erklärt – was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Open Access?

Bodo Rödel: Ganz einfach gesagt geht es darum, wissenschaftliche Forschungs- und Arbeitsergebnisse, die als Publikationen erscheinen, für jeden kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Das bezieht sich im Wesentlichen auf drei Aspekte: Erstens sollen diese für den Leser und die Leserin kostenfrei sein. Man soll, zweitens, einfach Zugriff auf die Publikationen bekommen. In der Regel erfolgt das in Form eines kostenfreien Downloads im zitierfreundlichen PDF-Format. Und drittens sollen die Texte und Publikationen rechtlich abgesichert genutzt werden können. Dafür verwendet man in der Regel sogenannte Creative Commons Lizenzen (CC-Lizenzen) die es erlauben, die Texte auszudrucken, zu mailen, zu vervielfältigen und in der Community weiterzugeben.

Ute Zander: Welche Vorteile bietet das Open Access Publikationsmodell?

Bodo Rödel: Der wesentliche Vorteil ist, dass Forschungs- und Arbeitsergebnisse direkt der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Zudem gibt es mittlerweile Untersuchungen, die sich mit der Reichweite von Open Access Publikationen beschäftigen. Die Studien zeigen, dass Texte, die Open Access erscheinen, häufiger zitiert werden und damit einfach eine größere Reichweite erzielen können. Ein weiterer Punkt sind Kosten: Wissenschaftliche Forschung wird in Deutschland ja im Wesentlichen durch Steuergelder finanziert. Ein Grundgedanke des Open Access ist, dass der Steuerzahler nicht zwei Mal bezahlen soll. Zum einen, dass er die Forschung finanziert und zum anderen, dass er die Forschungsergebnisse lesen darf. Wenn wir den Rahmen etwas größer spannen wollen, bringt Open Access vor allem den Vorteil, dass ärmere Länder Zugriff auf wissenschaftliche Informationen bekommen und sich so in den wissenschaftlichen Diskurs einbringen können. Zu guter Letzt bringt Open Access insbesondere Vorteile im Bereich der Naturwissenschaften. Viele Forschungs- und Arbeitsergebnisse werden in sehr hochpreisigen Journals publiziert. Im Moment ist nicht transparent, welche Gegenleistung dafür von den großen Wissenschaftsverlagen erbracht wird. Open Access schafft es, dieses etablierte Publikationsmodell aufzubrechen.

Ute Zander: Wie nutzt das BIBB die neuen Möglichkeiten von Open Access: Welche Publikationen werden in dieser Form veröffentlicht? Gibt es andere Initiativen, an denen sich das BIBB beteiligt?

Bodo Rödel: Das BIBB nutzt mittlerweile die Möglichkeiten von Open Access sehr intensiv. Wir haben alle Publikationsreihen auf das Open Access Modell umgestellt. Das bedeutet, dass alle Fachpublikationen des BIBB Leserinnen und Lesern kostenfrei als Download zur Verfügung stehen. Neben dem schon genannten Forschungsprojekt, beteiligen wir uns an weiteren Initiativen. Beispielsweise der Initiative „Open Access 2020“ der Max Planck Digital Library, welche die Umstellung und Transformation von Publikationen in Open Access unterstützt. Darüber hinaus hat das BIBB die Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen, ein Gründungsdokument der Open Access Bewegung, unterzeichnet. Etwas weiter gefasst, beschäftigen wir uns mit dem Thema Open Science. Das BIBB ist assoziiertes Mitglied im Leibniz Forschungsverbund Science 2.0. Wir arbeiten zudem am Thema OER – Open Educational Ressources. Alle drei Themen - Open Access, Open Science und Open Educational Ressources - haben einen Kerngedanken: Wissen möglichst frei zur Verfügung zu stellen.

Ute Zander: Die Literaturdatenbank Berufliche Bildung (LDDB) wurde durch das VET Repository abgelöst. Herr Rödel, inwiefern unterstützt dieser Wechsel die Stärkung von Open Access?

Bodo Rödel: Das BIBB hat über mehrere Jahre die LDDB aufgebaut. Hier wurden systematisch Literaturnachweise zum Themenkomplex der beruflichen Bildung gesammelt. Die Volltexte standen jedoch nicht zur Verfügung. Zum Teil wurde auf Volltexte verlinkt, was jedoch regelmäßig zum allseits bekannten Problem der „toten Links“ führte. Für den Nutzer ist es ärgerlich beim Versuch, den Text zu öffnen, statt des Textes eine Fehlermeldung zu bekommen. Über das VET Repository versuchen wir, möglichst viele Volltexte direkt zugänglich zu machen, also nicht nur darauf zu verlinken, sondern diese selber im Repository zu hosten. Das hat die Vorteile, dass diese Texte langzeitarchiviert sind und direkt zur Verfügung stehen. Da direkt der Volltext durchsucht werden kann, erhöht sich die Qualität der Recherche. Wir haben für das VET Repository in den letzten Jahren eine moderne Softwarearchitektur aufgebaut und nutzen dafür konsequenterweise ein Open-Source-System. Uns macht es stolz, dass dieses Projekt in der Community ziemlich viel Beachtung findet und die BIBB-Kolleginnen und -Kollegen schon mehrfach eingeladen wurden, um die Software-Architektur vorzustellen.

Ute Zander: Lassen sich schon Trends für die Zukunft von Open Access feststellen?

Bodo Rödel: Ja, wir beobachten, dass alle großen Forschungsförderorganisationen in Deutschland das Thema Open Access weiter vorantreiben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat selber Open Access Leitlinien verabschiedet. Von daher wird der Prozess des Open Access immer weiter voranschreiten. Erklärtes Ziel ist, dass wirklich alle Forschungsergebnisse frei zugänglich sind. Ein weiterer Trend ist, Forschungsdaten frei zugänglich zu machen und Publikationen und Forschungsdaten enger zu verknüpfen, damit man über die Publikation direkt auf die dahinterliegenden Forschungsdaten zugreifen kann. Schließlich wird es darum gehen, die Art der Informationsversorgung weiter zu verändern: Eine Vision ist, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihr Profil in einem System hinterlegen und dann zielgenau die Informationen und die wissenschaftlichen Publikationen zugesendet bekommen, die für sie relevant sind. Genauso wie sie jetzt passgenaue Werbung angezeigt bekommen, erhalten sie dann wissenschaftliche Informationen, die auf ihr Erkenntnisinteresse zugeschnitten sind. Das bedeutet, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler irgendwann weniger recherchieren müssen und relevante Informationen automatisch zugesendet bekommen.

Ute Zander: Herr Rödel, stellen Sie sich einmal vor, sie hätten alle Mittel dieser Welt. Wie sähe die ideale Open-Access-Welt für Sie aus?

Bodo Rödel: Alle Publikationen wären konsequent auf Open Access umgestellt. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass es einfach sehr wichtig ist, Geld und Ressourcen in eine sehr gute IT-Infrastruktur zu stecken. Der Bereich der Bibliothek und der wissenschaftlichen Literaturversorgung funktioniert nur, wenn die dahinterliegenden Systeme auf dem aktuellen Stand sind. Beim Aufbau des VET Repositorys haben wir zudem folgende Feststellung gemacht: Wir versuchen Volltexte einzuwerben, von Verlagen freizukaufen und ältere Publikationen zu digitalisieren –  das frisst Zeit und Geldressourcen. Allein in der Spezialbibliothek des BIBB haben wir rund 80.000 Bücher, von denen es oftmals keine digitalen Daten gibt. Somit müssen wir uns damit beschäftigen und klären, ob wir diese Titel digitalisieren lassen. Ein weiterer wichtiger Punkt, der viel Zeit benötigt, ist die Vernetzung mit anderen Akteuren in der Open Access- und Berufsbildungs-Community. Es ist wichtig, sich zu vernetzen, zusammenzuarbeiten und sich regelmäßig zu gemeinsamen Themen auszutauschen.

Ute Zander: Lieber Herr Rödel, ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg bei der Schaffung eines freien und unmittelbaren Zugangs zu wissenschaftlichem Wissen im Sinne von Open Access.