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Europäischer Austausch zu Nachhaltigkeit in der Berufsbildung

Die berufliche Bildung ist Schlüsselfaktor in der ökologischen Transformation, so die gemeinsame Überzeugung in der Europäischen Arbeitsgruppe zu beruflicher Bildung und Nachhaltigkeit. Bei ihrer „Peer Learning Activity“ in Bonn standen der Weg zur „Green Economy“ und drängende Fragen zum Kompetenzaufbau im Mittelpunkt.

Europäischer Austausch zu Nachhaltigkeit in der Berufsbildung
Teilnehmende der Peer Learning Activity im BMBF in Bonn

Die zweitägige Veranstaltung, zu der das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit der Europäischen Kommission am 24. und 25. Oktober 2022 nach Bonn einlud, fand im Rahmen der Europäischen Arbeitsgruppe zu Beruflicher Bildung und nachhaltiger Transformation statt. Rund 40 Teilnehmende profitierten von Vorträgen aus Forschung, Politik und Praxis in Deutschland und tauschten sich im Sinne der „Peer Learning Activity“ zu den unterschiedlichen Ansätzen in ihren jeweiligen Ländern aus. 
Klar ist: Das Thema Nachhaltigkeit hat zusammen mit Digitalisierung europaweit für den Berufsbildungskontext einen immensen Stellenwert und fordert von allen Akteuren, konsequent zu handeln. Im Mittelpunkt des Austauschs standen die folgenden Themen: 

  • Anpassung der Curricula in der beruflichen Aus- und Weiterbildung auf dem Weg zur „Green Economy“: ökologische Nachhaltigkeit als berufsspezifisches und transversales Thema 
  • Früherkennung erforderlicher Kompetenzen und neuer Berufe im Bereich Nachhaltigkeit: „Skills Intelligence“ für eine evidenzbasierte, zukunftsorientierte Berufsbildung 
  • Aus- und Weiterbildung des Ausbildungspersonals in Betrieben und an Berufsschulen: Multiplikator*innen in der Bildung für nachhaltige Entwicklung

Berufliche Bildung wirkt in der „grünen“ Transformation

Peter Thiele und Erik Heß (BMBF) im Austausch mit den europäischen Partnern

In seiner Eröffnungsrede betonte Peter Thiele, Leiter des Referats 315 „Berufliche Weiterbildung“ im BMBF, die Wirkkraft der beruflichen Bildung auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise und Arbeitswelt in Deutschland. Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags unterstützen strategische Initiativen wie die nationale Wasserstoffstrategie und die aktualisierte Nationale Weiterbildungsstrategie die klimapolitischen Ziele. Diese könnten nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller relevanten Akteure aus Politik, Bildung, Forschung, Arbeitsmarkt und Wirtschaft erreicht werden. Die Auswirkungen der Covid-19 – Pandemie, instabile Lieferketten, die Energiekrise und der russische Krieg in der Ukraine verschärften die Herausforderungen. 

Gleichzeitig stelle der Zuwachs in „grünen“ Berufen, der mit dem Fokus auf Dekarbonisierung einhergeht, hohe Anforderungen an die berufliche Bildung. Mit Verweis auf die Fachkräftestrategie der Bundesregierung unterstrich Peter Thiele die Ziele die Attraktivität beruflicher Aus- und Weiterbildung in Deutschland weiter zu steigern und Potentiale in bisher zu wenig erreichten Zielgruppen wirksam zu heben, zum Beispiel Frauen in Teilzeitbeschäftigung, geringqualifizierte Beschäftigte oder Menschen mit Migrationshintergrund. Darüber hinaus setze Deutschland auf die Zuwanderung von Fachkräften aus dem europäischen Ausland oder Drittstaaten.  

Tim van Rie, Vertreter der Europäischen Kommission, bekräftigte in seiner Begrüßung, dass die „3D-Herausforderungen“ – Dekarbonisierung, Digitalisierung und demographischer Wandel – die EU insgesamt betreffen. Mit Fokus auf den ökologischen Wandel bietet die Arbeitsgruppe Raum, sich zu den drängenden Fragen in der Berufsbildung auszutauschen und trotz aller Unterschiedlichkeit der Systeme voneinander zu lernen. Insbesondere nachhaltigkeitsorientierte Kompetenzen („green skills“) bilden ein Kernthema, bestärkt durch das von der EU-Kommission für 2023 ausgerufene „Europäische Jahr der Kompetenzen“.

Impulse aus Forschung und Praxis

„Peer Learning“: Voneinander über Lösungsansätzen lernen

Die Vortragenden gaben am ersten Veranstaltungstag Einblicke in Forschungsprojekte zum Einfluss der ökologischen Transformation auf Berufe sowie Aus- und Weiterbildung in Deutschland.

  • Timo Schnepf (BIBB) – Forschungsprojekt zu ökologischer Nachhaltigkeit als Attraktivitätsdimension in der Berufsausbildung: Auswertung von Online-Stellenanzeigen zu Aspekten der „Green Economy“ 
    Präsentation
  • Dr. Markus Janser (IAB)Forschungsprojekt zum “Greening of Jobs”, d.h. der Ausrichtung der Arbeitsplätze in Produktion, Verwaltung und im Dienstleistungssektor auf Umweltverträglichkeit, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit: Auswirkungen der Zunahme von umweltschutzrelevanten Kompetenzen und Tätigkeitsmerkmalen (Green Job Tasks) in Berufen auf die Erwerbschancen und Risiken der Beschäftigten sowie auf die individuelle Entlohnung
  • Thomas Felkl (BIBB)Forschungsprojekt zu Wasserstoff als Thema in der Berufsbildung im Kontext der Energiewende (H2PRO): Identifikation von Kompetenzanforderungen und Qualifizierungsbedarfen und Ableitung von Handlungsempfehlungen für Berufsbildungspolitik und -praxis 
  • Freja Mørch (Ministerium für Kinder und Bildung, Dänemark) – Einblick in Dänemarks Strategie zur Stärkung ökologischer Transformation und Förderung von Kompetenzen für Nachhaltigkeit in der Berufsbildung (VET in Denmark)

Der zweite Tag war Projekten gewidmet, die sich mit der Entwicklung nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen insbesondere für das Ausbildungspersonal auseinandersetzen.

  • Dr. Sören Schütt-Sayed (Technische Universität Hamburg) – Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der BIBB-Modellversuche „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“ (BBNE):  Vorstellung eines Kompetenzmodells für BBNE und didaktischer Handreichungen sowie Lehrkonzepte für Ausbildungspersonal zur Förderung und Vermittlung nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen 
  • Martin Wittau (Bundesvereinigung Nachhaltigkeit e. V.)BIBB Modellversuch und Transferprojekt zur Verbreitung und Verstetigung eines Weiterbildungsangebot für betriebliches Ausbildungspersonal zum Aufbau nachhaltigkeitsbezogener und digitaler Kompetenzen (INEBB 1 und 2)
  • Petra Zimmermann-Bargstedt (DIHK-Bildungs-gGmbH) – Einblick in das IHK-Management-Training NACHHALTIG ERFOLGREICH FÜHREN: Zertifikatslehrgang „Sustainable Mentor“ zur Begleitung des nachhaltigen Kulturwandels in Unternehmen

Herausforderungen und Handlungsfelder

Diskussionen zu Nachhaltigkeit und Kulturwandel

Moderiert von Isabelle Le Mouillour, Leiterin des Arbeitsbereichs „Berufsbildung im internationalen Vergleich, Forschung und Monitoring“ im BIBB, diskutierten die Teilnehmenden auf Basis der Vorträge gemeinsame Herausforderungen und identifizierten Handlungsfelder:  

  • Standards und Zertifizierungen für „green skills“: transversale und berufsspezifische Nachhaltigkeitskompetenzen definieren
  • Engpässe beim qualifizierten Ausbildungspersonal in Betrieben und Berufsschulen: Ausbildungspersonal als Multiplikator*innen und Treiber*innen der Transformation mit attraktiven Weiterbildungsangeboten erreichen
  • Begleitung des nachhaltigen „Kulturwandels“ in kleineren und mittleren Unternehmen:  Transformationsprozesse und Weiterbildung effektiv fördern 

Einig waren sich die Teilnehmenden, dass das Querschnittsthema Nachhaltigkeit einen holistischen Ansatz erfordert. Es ist zentral,

  • Synergien herzustellen zwischen digitaler Transformation und Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen: ökologisch, ökonomisch und sozial;
  • Kooperation zwischen Praxis und Wissenschaft fördern und Evidenz zu generieren – unter Einbeziehung aller Stakeholder – für eine praxisnahe Politik, die gezielt zur Integration von Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung beiträgt. 

 

Für die europäischen Gäste rundeten zwei parallel stattfindende Ortstermine das Programm ab.


Zu Gast auf dem Betriebshof der SWB in Bonn-Beuel © BIBB 

Vorbereitend auf den Studienbesuch fanden zunächst zwei Vorträge statt. Anja Wenmakers, Geschäftsführung der Stadtwerke Bonn, stellte die SWB und das nachhaltige Mobilitätskonzept sowie die internationalen Kooperationen vor. Danach informierte Britta Robels, Projektleitung bei der VDV Akademie, über das InnoVET Projekt „UpTrain“. Im Anschluss besuchten die Teilnehmenden den SWB Betriebshof in Bonn-Beuel, auf dessen Gelände S-Bahnen wiederaufbereitet werden. In der Werkhalle wurde der Delegation sehr eindrücklich erläutert, in welchen Arbeitsschritten die Aufarbeitung erfolgt, welche Kompetenzen benötigt und wie berufe übergreifend Hand in Hand gearbeitet wird sowie was der Mehrwert dieses nachhaltigen Konzepts im Vergleich zum Neukauf einer S-Bahn ist.

Europäische Gäste auf dem AusbildungsCampus der HWK zu Köln © BIBB

In angeregtem Austausch mit den Teilnehmenden stellten der Leiter des AusbildungsCampus der Handwerkskammer zu Köln, Ralph Elbert, und sein Kollege Joachim Decker, Leiter der Technischen Unternehmensberatung, die Arbeit des AusbildungsCampus vor. Das Konzept der „überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung“ in verpflichtenden fachpraktischen Ausbildungsinhalten wurde so für die Gäste aus Ländern mit teils sehr anderen Berufsbildungssystemen nachvollziehbar. Drei Aspekte zur Nachhaltigkeit in der praktischen Ausbildung wurden ausgeführt: Die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die berufsspezifischen Curricula und in die konkreten Inhalte der vom AusbildungsCampus angebotenen Kurse, Beispiele für nachhaltigkeitsbezogene Kursinhalte und die nachhaltige Praxis auf dem AusbildungsCampus als implizites Training des nachhaltigen „Mindset“ der Auszubildenden. Höhepunkt war die Besichtigung der Anlagen, die auch für die Ausbildung genutzt werden, z.B. eine Wärmepumpe, eine Brennstoffzelle und die Solar-Panels auf den Dächern des AusbildungsCampus.

Die „Peer Learning Activity“ unterstrich – bei aller Unterschiedlichkeit der Systeme in Europa – den Beitrag, den eine exzellente, hochwertige Berufsbildung für die Gestaltung der ökologischen Transformation leisten kann. Eine Schlüsselrolle spielen dabei qualifizierte Ausbilderinnen und Ausbilder, Berufsschullehrende und Dozierende. Zugleich wurde deutlich, dass das Potential der Digitalisierung zur Unterstützung des Umbruchs nicht hinreichend erkannt und genutzt wird. Gute Gründe für weiteren wertvollen Austausch mit den europäischen Partnern.