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ÜBS und Regionen stark machen für die Megatrends der Zukunft

Katrin Böhnke

Impulse aus der Wissenschaft und Praxisaustausch

ÜBS und Regionen stark machen für die Megatrends der Zukunft

Über Herausforderungen, Potenziale und regionale Kooperationen diskutierten rund 40 geladene Gäste aus Wissenschaft, Politik, Kammern und überbetrieblichen Berufsbildungsstätten bei dem Fachgespräch „Wissenschaft und Praxis im Dialog: Überbetriebliche Berufsbildungsstätten im Fokus von Megatrends - Energiewende, ökologische Transformation und Fachkräftequalifizierung. Schritthalten oder Spagat?“ am 20. September 2022 in Bonn.

Ökologische Transformation und Strategien zu ihrer Bewältigung stellen die Wissenschaft vor vielfältige Herausforderungen. Für die Berufsbildung ergeben sich daraus spezifische Fragen für die Fachkräftequalifizierung, welche zum Beispiel auch durch überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS) als Lernortpartner der ausbildenden Betriebe im dualen System gewährleistet wird.

Doch welchen Einfluss haben derartige tiefgreifende Veränderungsprozesse (Bsp. Energiewende hin zu einer kohlenstoffarmen, umweltfreundlichen Wirtschaft) auf die Arbeit in den ÜBS und wie agieren die Einrichtungen in Bezug auf Strukturveränderungen im Umfeld ihrer Standorte?

Diese und weitere Fragen wurden in der Veranstaltung aufgegriffen und diskutiert. Der Vormittag war ganz den Erkenntnissen der Wissenschaft gewidmet - dort stellten zwei Referierende Ausblicke in die Zukunft der beruflichen Bildung vor:
Dr. Michael Scharp vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, stellte zum Thema „Berufsbildung Nachhaltigkeit – Wie sieht unsere Zukunft der beruflichen Ausbildung aus? Einführung im Kontext von Zukunftsforschung“ die neugegründete Projektagentur berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) vor. Im Anschluss präsentierte Dr. Tobias Maier, Projektsprecher der Qualifikations- und Berufsprojektionen QuBe des Bundesinstituts für Berufsbildung, das „Szenario zu Auswirkungen der ökologischen Transformation auf die Nachfrage nach Ausbildungsberufen und veränderten Qualifikationsanforderungen“.

Herr Dr. Scharp ist Forschungsleiter für "Bildung & digitale Medien" beim IZT. Das IZT steht für inter- und transdisziplinäre Zukunftsforschung, Nachhaltigkeitsgestaltung und Technologiefolgenabschätzung. Dieses ist von Beginn an Projektpartner des BilRess-Netzwerkes (Bildung für Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz). Seine Arbeitsschwerpunkte: Energie, Ressourcen, Wohnen und Dienstleistungen, Bildung und Methodenentwicklung.

In seinem Vortrag stellte er die Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung des Partnernetzwerkes Berufliche Bildung am IZT vor. Für ca. 100 Ausbildungsberufe erstellt die Projektagentur Begleitmaterialien zur Beruflichen Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BBNE). Dabei werden alle für die Berufsausbildung relevanten Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Diese Impulspapiere und Weiterbildungsmaterialien sollen Anregungen für mehr Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung geben. Primäre Zielgruppen sind Lehrkräfte an Berufsschulen sowie deren Berufsschüler*innen, aber auch Ausbildende und ihre Auszubildenden in Betrieben. Sekundäre Zielgruppen sind Umweltbildnerinnen und- -bildner, Wissenschaftlerinnen und WIssenschaftler der Berufsbildung, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Institutionen der beruflichen Bildung.

Die Intention dieses Projektes ist es, den Zielgruppen kompakt und schnell Anregungen zum Thema “Nachhaltigkeit” durch eine integrative Darstellung der Nachhaltigkeitsthemen in der Bildung und der Ausbildung zu geben. Weiterhin wird durch einen sehr umfangreichen Materialpool der Stand des Wissens zu den Nachhaltigkeitszielen (SDG Sustainable Development Goals, Ziele für die nachhaltige Entwicklung) gegeben und so die Bildung gemäß SDG 4 “Hochwertige Bildung” unterstützt. Auch überbetriebliche Bildungsstätten bzw. die überbetriebliche Ausbildung gilt es hinsichtlich des Themas Nachhaltigkeit zu qualifizieren (s. Abbildung). 

© Dr. Michael Scharp/Die Projektagentur BBNE

Herr Dr. Maier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im BIBB Arbeitsbereich (AB) 1.2 „Qualifikation, berufliche Integration und Erwerbstätigkeit“. Der AB 1.2 beschäftigt sich u. a. mit den Auswirkungen von technologischem Fortschritt und Megatrends auf berufliche Anforderungen. Die Aufgaben des AB sind in die sozialwissenschaftliche Arbeitsmarkt-, Berufs- und Qualifikationsforschung und in größere Forschungszusammenhänge eingebunden. Hierzu zählen auch die Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen, für die Dr. Maier zuständig ist.

Die „Qualifikations- und Berufsprojektionen“ (QuBe) nehmen eine langfristige Fortschreibung des Arbeitsangebotes nach Qualifikationen und Berufen sowie der Arbeitskräftenachfrage nach Berufen, Branchen und Anforderungsniveaus vor. Dabei wird ein klares Konzept verfolgt: In der QuBe-Basisprojektion werden nur empirisch beobachtbare Entwicklungen und Zusammenhänge in die Zukunft fortgeschrieben. Dieses Vorgehen wird gewählt, um Handlungsspielräume für die Gestaltung der Berufsbildungs- und Arbeitsmarktpolitik sichtbar zu machen. Für das Aufzeigen dieser Gestaltungsspielräume beantwortet die QuBe-Basisprojektion deshalb immer die Frage: Was würde passieren, wenn bisherige Verhaltensweisen fortbestehen und sich nichts ändert? Langfristig auftretende Ungleichgewichte sollten somit frühzeitig identifiziert werden. Alternative Entwicklungspfade – z.B. Auswirkungen künftiger Schocks und/oder Trendbrüche (z.B. Digitalisierung, Gesetzesänderungen usw.) – können zusätzlich in vielfältiger Weise als Szenarien berechnet und mit der QuBe-Basisprojektion verglichen werden. Durch diese Art der Szenarioanalyse können Aussagen über langfristige Wirkungen, z.B. von politischen Entscheidungen, sichtbar gemacht werden. Sie werden dabei vor dem Hintergrund interpretiert, was gewesen wäre, wenn kein Eingriff stattgefunden hätte.

Der Beitrag von Dr. Maier fokussierte „Die ökologische Transformation und ihre Auswirkungen auf Ausbildungsnachfrage und Qualifizierung“ und nahm thematisch Bezug auf

  • Megatrends auf dem Arbeitsmarkt
  • Die Qualifikations- und Berufsprojektionen
  • Auswirkungen der Klima- und Wohnungsbaupolitik der Ampel Koalition
  • Auswirkungen des Krieges in der Ukraine
  • Mittelfristprognose bis 2026

Die ökonomische Aktivität ist geprägt von unterschiedlichen (Mega)trends (s. Abbildung), die sich ebenfalls auf die Ausbildungsnachfrage und Qualifizierung auswirken. Eklatante Trends mit negativer Wirkung auf den Arbeitsmarkt stellen neben dem Krieg in der Ukraine und der Corona-Krise die Inflation und Zinswende sowie die geopolitische Neuausrichtung der Lieferketten dar. Eine positive Wirkung auf den Arbeitsmarkt zeigen perspektivisch die Klimakrise und Energiewende, die Klimaanpassung und ein verstärkter Fokus auf Sicherheit (militärisch und zivil).

© QuBE, GWS

 

Folgende Herausforderungen für die Ausbildung wurden im Fazit des Vortrags betont: Ohne Fachkräfte in den technischen Berufen und Bauberufen ist die ökologische Transformation nicht möglich. Es kommt auf jede qualifizierte Person an! Gleichzeitig gilt es aber auch, die Versorgung in den sozialen Dienstleitungsberufen sicherzustellen (Gesundheit, Erziehung). Die Ökologische Transformation kann als Chance für die duale Ausbildung gesehen und Nachhaltigkeit als Instrument der Attraktivitätssteigerung im Beruf genutzt werden.

Arbeitsphase und Vortrag zur ÜBS-Landschaft

In der anschließenden Arbeitsphase unter dem Thema „Was bedeuten Energiewende und ökologische Transformation für die Zukunft der Ausbildung?“ stellten im Rahmen eines Wissensmarktes fünf Referentinnen und Referenten mit Gesprächsrunden/Kurzvorträgen ihre Expertise und Projekte vor.

Nach der Mittagspause startete der Blick in die Praxis mit dem Vortrag „Die ÜBS-Landschaft – Ein deskriptiver Blick auf Ballungszentren und ländliche Räume“ von Christiane Köhlmann-Eckel. Er ermöglichte eine Einordnung der Förderung und regionalen Verteilung der ÜBS und stellte Thesen zur Prognose vor, wie ÜBS als strategische Partner in transformativen Prozessen unterstützen können.

Podiumsdiskussion

„Die regionale Strukturentwicklung und das Wirken von ÜBS vor dem Hintergrund ökologischer Transformation“

Die anschließende Podiumsdiskussion zeigte anschaulich mit Beispielen aus der Ausbildungspraxis, wie regionale Zusammenarbeit von ÜBS und Unternehmen gelingen kann und welche Herausforderungen und Chancen in der nahen Zukunft gesehen werden.

Teilnehmende der Podiumsdiskussion

  • Dr. Jürgen Jarosch
    - Geschäftsführer des Elektro Technologie Zentrum etz in Stuttgart -
    Das etz ist bundesweit anerkanntes Kompetenzzentrum für Aus- und Weiter-bildung in der Elektro- und Informationstechnik. Es bietet das komplette Bildungsspektrum von der überbetrieblichen Ausbildung, der Vorbereitung auf die Gesellen- und Meisterprüfungen, einem umfassenden Weiterbildungsangebot, individuellen Firmenseminaren, bis hin zu Umschulungen und Beratungsdienstleistungen an.
  • Dr. Georg Thomas
    - Leiter Kompetenzcenter Technology, HELDELE GmbH -
    Innovative elektrotechnische Gebäudeausstattung, ITK-Systemhaus und Automation sind die Hauptgeschäftsfelder des Unternehmens. Mit Beratung und Konzeption, Installation, Wartung und After-Sales-Service werden die Kunden unterstützt. Die HELDELE GmbH hat mehr als 700 Mitarbeiter an sechs Standorten in Süddeutschland.
  • Ralf Marohn
    - Bereichsleiter Prozess- und Produktmanagement im saz, Schweriner Aus- und Weiterbildungszentrum e.V. -
    Das saz ist der führende Bildungsdienstleister für die Industrie in Westmecklenburg. Über die vorhandenen Ausbildungsstrukturen, in denen gemeinsam die Herausforderungen analysiert, Lösungsansätze entwickelt und umgesetzt werden, setzt man sich dafür ein, die anstehende Transformation in ihren Dimensionen der Digitalisierung, der Nachhaltigkeit und der demografischen Entwicklung zu meistern.

Die Referierenden und ihre Praxisbeispiele

„Wie können sich ÜBS und Regionen stark machen für die Veränderungen?“
Diese Frage beschäftigte in der darauffolgenden Arbeitsphase Referierende und Teilnehmende, die im Rahmen eines World-Cafés an fünf Thementischen den Transfer in die ÜBS-Praxis diskutierten. Einige bildhafte Eindrücke zu den Ergebnissen finden sich unter "Einblick in die World-Cafés" (s.u.).

  • Markus Kühlert
    (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH)
    Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren
  • Prof. Dr. Julia Kastrup
    (FH Münster)
    Ein Modell zur Strukturierung und Beschreibung nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen für Auszubildende
  • Dr. Gert Zinke
    (BIBB)
    Wasserstoff H2Pro, Land- und Baumaschinenmechatronikerinnen, Neugeordnete handwerkliche Elektroberufe 2021
  • Ralf Marohn
    (saz - Schweriner Aus- und Weiterbildungszentrum e.V.)
    Entwicklung der ÜBS; regionale Strukturentwicklung
  • Dr. Jürgen Jarosch
    (etz Stuttgart)
    Dr. Georg Thomas
    (HELDELE GmbH)
    Entwicklung der ÜBS; regionale Strukturentwicklung

Einblick in die World-Cafés